Besuch von Dr. Khouloud Daibes, Botschafterin Palästinas in Deutschland, in Wiesloch
Auf Einladung unseres Vereins sprach Frau Dr. Daibes – nachdem sie sich am Nachmittag ins Goldene Buch der Stadt Wiesloch eingetragen hatte – am Abend des 21. Mai 2019 zur eingeladenen Öffentlichkeit.
Dr. Daibes hat in der BRD Architektur studiert und zum Thema Erhaltung des Kulturerbes Palästinas promoviert. Mit dieser Kompetenz und auch als Denkmalpflegerin war die palästinensische Christin von 2007 – 2012 im ersten Kabinett der Einheitsregierung zuständig für Tourismus und die Aufnahme inzwischen 13 historischer palästinensischer Stätten in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO.
In diesem Zusammenhang wies Dr. Daibes darauf hin, dass auf dem Territorium Palästinas die Wiege der Zivilisation des sogenannten Fruchtbaren Halbmondes liegt. Jericho, eine der ältesten Städte der Welt mit ca. 10.000 Jahren Geschichte, berge 23 Schichten unterschiedlicher Zivilisationen. Sie rief auch in Erinnerung, dass Jerusalem der Nukleus dreier monotheistischer Weltreligionen ist, eine Kultstätte, die bei jeder dieser Religionsgemeinschaften höchste Bedeutung besitzt. Die Geschichte lehrt uns, dass Zivilisationen, in denen Juden, Christen und Moslems friedlich zusammenleben, größten wissenschaftlichen, kulturellen und materiellen Reichtum für alle hervorbringen.
Frau Dr. Daibes machte in ihrem Gedankenbeitrag klar, dass es im Interesse aller Ethnien in Palästina sei, diese friedliche Koexistenz zu erreichen. Sie erklärte, dass sich die Palästinenser nach einem langen, schwierigen Lernprozess über militärischen Widerstand, Intifada, Verhandlungen und gewaltfreien Widerstand zu der Erkenntnis durchgerungen haben, es sei klüger nachzugeben und einem Staat mit nur 22% Rest-Territorium zuzustimmen. Wobei Palästina ein Landausgleich eingeräumt werde, damit israelische Siedler in den völkerrechtlich illegalen Siedlungen bleiben können.
Doch auch dieses Angebot kann die israelische Regierung nicht zu einer Anerkennung des palästinensischen Staates bewegen. Während Palästina von 137 (von 193) Staaten anerkannt wird, verweigert der sog. Westen, vor allem die Schutzmacht USA und Europa, dem Staat Palästina die Anerkennung. Diplomatische Erfolge Palästinas wie der Beobachterstatus bei den UN, Klagerecht vor dem Internationalen Gerichtshof, der Beitritt zur Genfer Konvention und andere haben nicht dazu geführt, dass Palästina de facto Rechte einklagen kann und darf. Während Palästinensern für selbstverständliche Rechte Redetabus auferlegt werden, verfolge die israelische Regierung ein aggressives Besiedlungsprogramm in den besetzten Gebieten, jüngst mit der Androhung der Annexion der Westbank. Dr. Daibes wies darauf hin, dass militärische Aktionen zu keiner Lösung des Konfliktes führen können. Im Moment sei es tragisch, dass die Ultras beider Lager sich im gegenseiteigen Hass begegnen. In diesem Zusammenhang sei die Spaltung ihres Volkes gefährlicher als die Angriffe des israelischen Regierungslagers.
Frau Dr. Daibes als Botschafterin und als Kontaktfrau zu Friedensaktivisten beider Seiten vertritt ein klares Programm, um aus der Gewaltspirale auszusteigen:
- sie pocht auf die Einhaltung des unveräußerlichen Rechtes auf Menschenwürde
- sie pocht auf Einhaltung der internationalen Menschenrechte und auf das Völkerrecht
- sie pocht auf das Existenzrecht eines palästinensischen Staates auf seinem Jahrtausende alten Stammland
- sie pocht auf das internationale Recht auf gewaltfreien Widerstand, auch das des Boykotts und der Sanktionen
- sie sieht eine Lösung des Konfliktes nur in der konsequenten Haltung gegen Gewalt, Hass und religiösen Fanatismus
- deshalb fordert sie ein klares Engagement der religiösen Führung aller Kirchen
- sie setzt auf die Bewahrung der kulturellen Identität ihres Landes
- sie setzt auf Bildung
- sie setzt auf die Vernunft, die in der Tradition der Aufklärung die Lösung von Konflikten in der Begegnung, durch Verhandlung und im Ausgleich von unterschiedlichen Interessen sucht
Die Anliegen von Frau Dr. Daibes stießen bei den Anwesenden auf große Zustimmung.
Der Abend war am „Vorabend“ der Europawahlen eine Lehrstunde im leider, leider vernachlässigten Gedankenkosmos der Europäischen Aufklärung im Sinne von Voltaire, Montesquieu, Locke, Hume, Kant, Lessing oder Schiller. Wir haben uns bei Frau Dr. Daibes für ihre wertvollen Gedanken zu bedanken.