Rhein-Neckarzeitung Mittwoch, den 28. November 2018
„Das Land nicht den Fanatikern überlassen“
Der Verein „Bildung und Begegnung Palästina“ feierte seinen 30. Geburtstag – Festrede von Sumaya Farhat-Naser
Wiesloch. (jbü) „Es ist eine Freude zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich um die Palästinenser sorgen. " Die palästinensische Friedensaktivistin Dr. Sumaya Farhat-Naser würdigte in ihrer Festrede im Palatin die nun schon seit 30 Jahren bestehende Arbeit des Vereins „Bildung und Begegnung Palästina". Dies sagte sie insbesondere mit Blick auf das unter Palästinensern vorherrschende Gefühl, von der Welt verlassen zu sein.
Es ist aber auch eine persönliche Freundschaft, die den Gründer des Vereins, Günter Schroth, mit der Hamburger Universitätsprofessoren verbindet, haben sie doch seit ihrer ersten Begegnung im Jahr 1987 den Kontakt aufrechterhalten. So war der Sektempfang zum Vereinsjubiläum ein Fest des Wiedersehens und der Begegnung von Mitgliedern, Förderern und Sponsoren. Kooperationspartnern und Freunden der Arbeit. Aber auch hier stand der jahrzehntelange Konflikt zwischen Israel und Palästina klar im Vordergrund: Mit Informationsbroschüren. Handzetteln, Aufstellern und einem Büchertisch ruhte die Aufklärungsarbeit nicht.
Auch in den Redebeiträgen legte man den Fokus nicht auf Selbstbeweihräucherung. Zwar. wurde, dank sechs Neuzugängen in den letzten sechs Monaten, auch das 101. Vereinsmitglied gefeiert, doch gab man neben dem persönlichen Austausch vor allem Raum für den kritischen, aber auch Mut machenden Beitrag von Sumaya Farhat-Naser. Wichtig ist der Verein für die Christin aus Bir Zait, bei Jerusalem, nach eigenen Worten auch, da er ihr ein Forum und damit Gehör in Deutschland verschaffe. Vorträge über Palästina zu halten, sei in Deutschland aufgrund von Behinderungen durch Lobbyisten keine Selbstverständlichkeit. Sie kritisierte in diesem Zusammenhang scharf, dass das meiste Wissen über den Konflikt nicht aus Palästina komme. Dabei sei es doch wichtig anzuerkennen, dass es niemals nur ein Narrativ geben könne, sondern mindestens zwei oder mehr.
30 Jahre Bildung und Begegnung Palästina: (v.li.) Eleonore Bruder, Edmund Berger, Renate Schenk, Lis Fink, Petra Sackczewski, Günter Schroth, Rudolf Leib, Dr. Sumaya Farhat-Naser, Rolf Haußmann und Bürgermeister Ludwig Sauer
Der Heimatverlust ist solch ein palästinensisches Narrativ, das Farhat-Naser mit spürbarer Emotion vortrug. Dabei sich jedoch nicht in Hass zu verlier-en, sondern so entstandene Differenzen mit Respekt stehen zu lassen und an der Hoffnung auf Frieden festzuhalten, ist für sie eine Form des Widerstands, eine zivilgesellschaftliche Möglichkeit, um Menschlichkeit zu bewahren. Diesen Ansatz verbreitet sie seit 15 Jahren in Form von Kursen in gewaltfrei er Kommunikation, unter anderem in Schulen. Auch wenn viele das Wort „Frieden" nicht mehr hören könnten, ist Farhat—Naser überzeugt: „Wir dürfen das Land nicht den Fanatikern überlassen. " Einige der Frauen und inzwischen auch Männer, mit denen die Aktivistin 'arbeitet, haben sich aus diesem Motiv heraus und in Eigeninitiative für einen Hebräisch-Kurs eingeschrieben.
Auf politischer Ebene schlug die Rednerin weniger versöhnliche Töne an. Insbesondere die Äußerungen des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, Jerusalem die ewige Hauptstadt Israels, habe desaströse Folgen für das Leben in Israel-Palästina gehabt: ein Entzug der Selbstbestimmung für Nicht-Israelis, die mit der Abwertung der arabischen Sprache, da nun nicht mehr offizielle Amtssprache, einherging. Mit Blick auf die politische Ungleichstellung von Juden und Nicht—Juden warf sie die Frage in den Raum: „Sind Wir nicht mehr Gotte Volk, weil wir Christen geworden sind?"
Als Christin verwies sie zudem auf die Forderung einer rückwirkenden Kirchensteuer für die letzten 30 Jahre, welche eine Zerstörung des christlichen Gemeindewesens nach sich zöge. Dabei hätten die traditionellen Kirchen ohnehin schon einen schweren Stand angesichts der zunehmenden Ansiedlung evangelikaler Einrichtungen. Des Weiteren sprach sie von einem durch Trump ermutigten Arbeitsverbot für soziale Organisationen, die Bildungs-, Gesundheits- und andere soziale Angebote für die etwa 400 000 Palästinenser in Jerusalem und Umgebung anbieten.
„Die israelischen Friedensleute sind auch verzweifelt", gab Farhat-Naser zu bedenken. Auf beiden Seiten hätten viele das Land schon verlassen. Und dennoch: Sie will weiterkämpfen und den Menschen Hoffnung schenken, ebenso wie der Verein „Bildung und Begegnung Palästina", der auch zukünftig Öffentlichkeitsarbeit betreiben, Bildungs- und Begegnungsfahrten organisieren und vor Ort auf viel fältige Weise Unterstützung bieten wird.